Abkommen zwischen der Regierung der Republik Lettland und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Rückübergabe / Rückübernahme von Personen (Rückübernahmeabkommen)
Die Regierung der Republik Lettland
und
die Regierung der Bundesrepublik Deutschland —
ausgehend von den freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten und ihren Völkern,
in der Absicht, der illegalen Zuwanderung im Geiste der europäischen Anstrengungen entgegenzutreten,
von dem Bestreben geleitet, die Rūckūbernahme von Personen, die sich illegal auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, und die Durchbeförderung von Personen im Einklang mit allgemeinen völkerrechtlichen Normen und im Geiste der Zusammenarbeit zu erleichtern —
haben folgendes vereinbart:
Abschnitt I
Übernahme eigener Staatsangehöriger
Artikel 1
(1) Jede Vertragspartei ūbernimmt auf Antrag der anderen Vertragspartei ohne besondere Formalitäten die Person, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen fūr die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfūllt, wenn nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, daķ sie die Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei besitzt. Das gleiche gilt fūr Personen, die während ihres Aufenthalts im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ihre Staatsangehörigkeit verloren haben, ohne eine andere Staatsangehörigkeit erworben oder nicht zumindest eine Einbūrgerungszusicherung der anderen Vertragspartei erhalten zu haben.
(2) Absatz 1 findet entsprechende Anwendung auf Personen, die mit einem gūltigen Nationalpaš der ersuchten Vertragspartei in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei eingereist sind.
(3) Die ersuchende Vertragspartei nimmt diese Personen unter denselben Voraussetzungen zurūck, wenn die Nachprūfung innerhalb von sechs Monaten ergibt, daš sie zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nicht erfūllt haben.
Artikel 2
(1) Die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei beantwortet ein Übernahmeersuchen unverzūglich, längstens jedoch innerhalb von 14 Tagen.
(2) Nach erfolgter Zustimmung verständigen sich die zuständigen Behörden der Vertragsparteien schriftlich im voraus ūber den Überstellungstermin.
(3) Die Überstellung der Person erfolgt unverzūglich, im Regelfall innerhalb von einer Woche nach Ablauf der im Absatz 1 bestimmten Frist, im Ausnahmefall spätestens jedoch innerhalb eines Monats.
(4) Kann die ersuchende Vertragspartei die Übergabefrist nicht einhalten, unterrichtet sie unverzūglich die ersuchte Vertragspartei. Sie kūndigt den neuen Überstellungstermin mindestens eine Woche vorher unter Bezugnahme auf das frūhere Übernahmeersuchen an.
Abschnitt II
Übernahme von Drittstaatsangehörigen und staatenlosen Personen bei rechtswidriger Einreise und rechtswidrigem Aufenthalt
Artikel 3
(1) Jede Vertragspartei ūbernimmt auf Antrag der anderen Vertragspartei die Person, die nicht die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei besitzt (Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser), wenn sie die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei geltenden Voraussetzungen fūr die Einreise und den Aufenthalt nicht erfūllt und nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, daš die Person
1. auf dem Luft- oder Seeweg unmittelbar aus dem Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei rechtswidrig in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei eingereist ist beziehungsweise die Einreise unter Verwendung gefälschter Dokumente erschlichen hat oder
2. ūber einen gūltigen, durch die andere Vertragspartei ausgestellten Aufenthaltstitel verfūgt oder
3. ein gūltiges, durch die andere Vertragspartei ausgestelltes Visum besitzt. Dies gilt nicht fūr ein Transitvisum, das von der ersuchten Vertragspartei zum Zwecke der direkten Weiterreise in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei ausgestellt wurde, wenn ein gūltiges Visum oder ein anderer gūltiger Aufenthaltstitel der ersuchenden Vertragspartei vorliegt, wobei sich die ersuchende Vertragspartei bemūht, Rūckfūhrungen vorrangig in den Herkunftsstaat durchzufūhren.
(2) Absatz 1 findet entsprechende Anwendung auf Personen, die ihren letzten Wohnsitz im Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei hatten.
Artikel 4
(1) Der Antrag auf Übernahme muš innerhalb von 12 Monaten nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der rechtswidrigen Einreise oder des rechtswidrigen Aufenthalts des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellt werden.
(2) Die ersuchte Vertragspartei beantwortet die Übernahmeersuchen unverzūglich, längstens jedoch innerhalb von 14 Tagen.
(3) Die kontrollierte Übernahme des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen erfolgt unverzūglich, längstens jedoch innerhalb einer Frist von drei Monaten, nachdem die ersuchte Vertragspartei der Übernahme zugestimmt hat. Diese Frist wird auf Antrag der ersuchenden Vertragspartei nur im Falle rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse fūr die Übernahme und nur fūr die Dauer dieser Hindernisse verlängert.
(4) Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien verständigen sich schriftlich im voraus ūber den beabsichtigten Überstellungstermin.
(5) Die ersuchende Vertragspartei ūbernimmt einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen ohne besondere Formalitäten zurūck, wenn die ersuchte Vertragspartei innerhalb von dreišig Tagen nach der Übernahme des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen feststellt, daš die Voraussetzungen nach Artikel 3 nicht vorgelegen haben.
Abschnitt III
Durchbeförderung
Artikel 5
(1) Die Vertragsparteien gestatten die Durchreise oder die Durchbeförderung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen durch ihr Hoheitsgebiet, wenn die andere Vertragspartei darum ersucht und die Weiterreise in mögliche Durchgangsstaaten und den Zielstaat sichergestellt ist.
(2) Die Durchreise oder die Durchbeförderung können abgelehnt werden, wenn
1. die Person in einem weiteren Durchgangsstaat oder im Zielstaat wegen der Grūnde, die in den Konventionen gemäš Artikel 10 Absatz 1 dieses Abkommens genannt sind, der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt wäre oder die Person eine Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu erwarten hätte oder
2. der Person im Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei eine Strafverfolgung droht; der ersuchenden Vertragspartei ist davon vor der Durchbeförderung Kenntnis zu geben.
(3) Bei der Durchbeförderung im Luftverkehr wird die ersuchende Vertragspartei vom Erfordernis der Einholung eines Transitvisums befreit.
(4) Trotz erteilter Bewilligung können zur Durchbeförderung ūbernommene Personen an die andere Vertragspartei zurūckgegeben werden, wenn nachträglich Tatsachen im Sinne des Absatzes 2 eintreten oder bekannt werden, die einer Durchbeförderung entgegenstehen, oder wenn die Weiterreise oder die Übernahme durch den Zielstaat oder einen möglichen Durchgangsstaat nicht mehr gesichert ist.
Abschnitt IV
Datenschutz
Artikel 6
(1) Soweit fūr die Durchfūhrung dieses Abkommens personenbezogene Daten zu ūbermitteln sind, dūrfen diese Informationen ausschliešlich betreffen:
1. die Personalien der zu ūbergebenden Person und gegebenenfalls der Angehörigen (Name, Vorname, gegebenenfalls frūherer Name, Beinamen oder Pseudonyme, Geburtsdatum und -ort, Geschlecht, derzeitige und frūhere Staatsangehörigkeit),
2. den Personalausweis oder das Reisedokument (Nummer, Gūltigkeitsdauer, Ausstellungsdatum, ausstellende Behörde, Ausstellungsort usw.),
3. sonstige zur Identifizierung der zu ūbergebenden Personen erforderliche Angaben,
4. die Aufenthaltsorte und die Reisewege,
5. sonstige Angaben auf Ersuchen einer Vertragspartei, die diese fūr die Prūfung der Übernahmevoraussetzungen nach diesem Abkommen benötigt.
(2) Soweit personenbezogene Daten im Rahmen dieses Abkommens ūbermittelt werden, gelten die nachfolgenden Bestimmungen unter Beachtung der fūr jede Vertragspartei geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften:
1. Die Verwendung der Daten durch den Empfänger ist nur zu dem angegebenen Zweck und zu den durch die ūbermittelnde Behörde vorgeschriebenen Bedingungen zulässig.
2. Der Empfänger unterrichtet die ūbermittelnde Behörde auf Ersuchen ūber die Verwendung der ūbermittelten Daten und ūber die dadurch erzielten Ergebnisse.
3. Personenbezogene Daten dūrfen nur an die zuständigen Stellen ūbermittelt werden. Die weitere Übermittlung an andere Stellen darf nur mit vorheriger Zustimmung der ūbermittelnden Stelle erfolgen.
4. Die ūbermittelnde Behörde ist verpflichtet, auf die Richtigkeit der zu ūbermittelnden Daten sowie auf die Erforderlichkeit und Verhältnismäšigkeit in bezug auf den mit der Übermittlung verfolgten Zweck zu achten. Dabei sind die nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht geltenden Übermittlungsverbote zu beachten. Erweist sich, daš unrichtige Daten oder Daten, die nicht ūbermittelt werden durften, ūbermittelt worden sind, so ist dies dem Empfänger unverzūglich mitzuteilen. Er ist verpflichtet, die Berichtigung oder Vernichtung vorzunehmen.
5. Die ūbermittelnde und die empfangende Behörde sind verpflichtet, die Übermittlung und den Empfang von personenbezogenen Daten aktenkundig zu machen.
6. Die ūbermittelnde und die empfangende Behörde sind verpflichtet, die ūbermittelten personenbezogenen Daten wirksam gegen unbefugten Zugang, unbefugte Veränderung und unbefugte Bekanntgabe zu schūtzen.
Abschnitt V
Kosten
Artikel 7
Alle mit der Rūckfūhrung zusammenhängenden Kosten bis zur Grenze der ersuchten Vertragspartei, ferner die Kosten der Durchbeförderung nach Artikel 5, werden von der ersuchenden Vertragspartei getragen. Das gleiche gilt fūr die Fälle der Rūckūbernahme nach Artikel 4 Absatz 5.
Abschnitt VI
Durchfūhrungsmodalitäten
Artikel 8
Die zur Durchfūhrung dieses Abkommens erforderlichen weiteren Regelungen, insbesondere ūber
a) die Art und Weise der gegenseitigen Verständigung;
b) die Angaben, Unterlagen und Beweismittel, die zur Übernahme erforderlich sind;
c) die fūr die Durchfūhrung dieses Abkommens zuständigen Behörden;
d) den Ersatz von Kosten nach Artikel 7;
e) die Bedingungen fūr die Durchreise oder die Durchbeförderung von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen
werden von dem Innenministerium der Republik Lettland und dem Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland in einem Protokoll zur Durchfūhrung dieses Abkommens vereinbart.
Abschnitt VII
Konsultationen
Artikel 9
(1) Die Vertragsparteien unterstūtzen sich gegenseitig bei der Anwendung und Auslegung dieses Abkommens und des Protokolls zu dessen Durchfūhrung. Eventuelle Streitfragen werden von beiden Vertragsparteien im Rahmen der Konsultationen unter der Leitung der jeweiligen Innenministerien geregelt.
(2) Die Vertragsparteien unterrichten sich gegenseitig ūber die Rechtsvorschriften, die die Genehmigung von Einreise und Aufenthalt in den Hoheitsgebieten ihres Staates regeln sowie ūber alle bisher abgeschlossenen und geltenden Rūckūbernahmeabkommen mit Drittstaaten.
Abschnitt VIII
Schluķbestimmungen
Artikel 10
(1) Die Anwendung des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 ūber die Rechtsstellung der Flūchtlinge nebst dem New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 ūber die Rechtsstellung der Flūchtlinge bleibt unberūhrt.
(2) Die Verpflichtungen der Vertragsparteien aus völkerrechtlichen Übereinkūnften bleiben unberūhrt.
Artikel 11
(1) Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
(2) Das Abkommen tritt am ersten Tag des zweiten Monats nach dem Tag seiner Unterzeichnung in Kraft.
Artikel 12
Dieses Abkommen kann in beiderseitigem Einvernehmen geändert oder ergänzt werden.
Artikel 13
Die Vertragsparteien unterrichten sich, soweit möglich, gegenseitig ūber die im Protokoll zu diesem Abkommen genannten Nachweis- und Glaubhaftmachungsmittel durch Übersendung von Mustern innerhalb von 30 Tagen nach Inkrafttreten des Abkommens.
Artikel 14
Die Registrierung dieses Abkommens beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen wird unverzūglich nach seinem Inkrafttreten von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland veranlašt. Die andere Vertragspartei wird unter Angabe der erteilten VN-Registrierungsnummer unterrichtet, sobald diese vom Generalsekretariat der Vereinten Nationen bestätigt worden ist.
Artikel 15
(1) Jede Vertragspartei kann dieses Abkommen aus Grūnden der öffentlichen Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit im Wege der Notifikation suspendieren oder aus wichtigem Grund kūndigen.
(2) Die Suspendierung dieses Abkommens tritt sieben Tage nach dem Zugang der Notifikation in Kraft. Die Kūndigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf den Monat folgt, in dem die Notifikation der anderen Vertragspartei zugegangen ist.
Geschehen zu Berlin am 16. Dezember 1998 in zwei Urschriften, jede in lettischer und deutscher Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaķen verbindlich ist.
Fūr die Regierung der Republik Lettland Roberts Jurdžs der Minister des Innern
Fūr die Regierung der Bundesrepublik Deutschland Otto Schily der Bundesminister des Innern Wolf–Ruthart Born Der Ministerialdirigent im Auswärtigen Amt